Mittwoch, 28. Juli 2010

Mensch und Masse / Gedanken zur Loveparade

Nach der Massenpanik mit 20 Toten und Hunderten Verletzten kommen Beileidsbekundungen von überall. Schnell ist man dabei, die Betroffenen als Opfer zu erklären und nach administrativen Verantwortlichen für das Desaster zu suchen.

Warum fragt man nicht zuerst nach der Eigenverantwortung derjenigen, die zu Schaden kommen?

Wer sich freiwillig in eine Masse begibt, handelt fahrlässig gegenüber sich selbst. Er gibt seine Persönlichkeit auf, macht sich bis zur Unkenntlichkeit klein. Er verliert Übersicht und Freiheit und lädt geradezu ein, sich manipulieren, betrügen, verheizen oder tottrampeln zu lassen.

In der Masse kann man nicht geborgen sein. Das ist Selbsttäuschung und Betrug gegenüber sich selbst.
Masse steht im Gegensatz zu einem reifen Menschenbild.

Die Nazis haben auf Masse gesetzt, die Kommunisten auch. Industrie und Militär ebenso: Im Gleichschritt marschieren und als winzig kleines Rädchen funktionieren.
Der Mensch als Massenwesen zählt von oben gesehen als Einzelner nichts mehr.

Masse ist ein altes Herrschaftskonzept.
Herrschaft will Masse, Herrschaft braucht Masse. Herrschaft schafft Masse.
Denn Masse macht Kasse. Masse generiert Macht und Profit.

Die gigantischen Einkommen von Fußballern, Schauspielern und Rockstars, von Aldi, Ikea und anderen Discountern, von Öl- und Autokonzernen kommen nur zustande, weil ihnen unzählbare Massen von Fans und Kunden gegenüber stehen. Namenlos, unkenntlich, klein.

Menschen, die in Fußballstadien, Rockkonzerten wie bei allen Massenveranstaltungen als Individuen nichts zählen, weil sie sich dort selbst ihrer Individualität entledigen - und dafür dennoch selbst verantwortlich sind.

Niemand wird heute noch gezwungen, sich in Massen zu begeben.
Wer andere Menschen, die sich trotzdem mit freier eigener Entscheidung zu Massenverantsaltungen bewegen, als Opfer erklärt, spricht ihnen nur wiederum von oben herab ihre Eigenverantwortung ab.

Je lauter sich jemand für andere engagiert, desto mehr macht er sie klein.
Diejenigen, die selbst nach Masse gieren, Politiker, Kirchenrepräsentanten und Nachrichtenmedien machen sogar einen offiziellen Staatsakt daraus.

Anderen Menschen auf ihre Eigenverantwortung verweisend, tritt man selbst am besten aus dem Herrschaftsdenken heraus - und weist Wege aus der Masse hinaus.

Montag, 26. Juli 2010

Sich selbst bewegend die Welt bewegen.

Alles, was wir von uns geben, setzt sich, Spuren hinterlassend, auf irgendeine Weise fort. Entscheidungen, Handlungen, Gefühle, Gedanken - unzählige Impulse, für die allein wir als Einzelne die Verantwortungen tragen. Zu wenig beachtet und in ihren Konsequenzen seltenst bedacht. Täten wir es, würden wir achtsamer, langsamer, vorsichtiger sein.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Sonnenblumen 1

brauchen oder mögen?

Eine der Strategien der Herrschenden war es, ihre Untertanen geistig auf Not zu fixieren.
Nur das Not-wendige, was man brauchte, um Not abzuwenden, sollte wichtig und moralisch richtig sein. Was man nicht brauchte, um das eigene Leben abzusichern und Leid zu vermeiden, wurde mit Hilfe von Religionen als verwerflich abgetan.

Sogar das Leid selbst schätzte man moralisch und spirituell wertvoller als den Luxus ein. Es sollte klaglos ertragen werden.

Wer über mehr als das Not(ab)wendige verfügte, war seines eigenen Seelenheils willen angehalten, davon abzugeben und zu teilen. Geizig gegenüber sich selbst, aber großzügig spendend für Kirche und die Armen, war religiöses Ideal.

Auf diese Weise hielt man Menschen klein.
Sie blieben ihrerseits dicht an der Not, waren zu schwach, um ihre Kräfte zu entfalten und konnten der Herrschaft nicht gefährlich werden.

Die Mächtigen versetzte die propagierte Moral in die Lage, ihren eigenen Luxus weitgehend ungestört zu genießen.

Doch die alten Überzeugungen und Glaubenssätze, welche die Kluft zwischen oben und unten abzusichern halfen, sind in den geistigen Traditionen bis heute präsent.

Luxus wird geistig immer noch weitgehend verpönt.
Ich kenne viele Künstler, die ihre Kunst nicht als Luxus betrachtet wissen wollen. In ihren Augen würde sie damit abgewertet. Ihnen ist wichtig, dass Kunst als gesellschaftlich not-wendig eingeschätzt wird und sie als Künstler gebraucht werden. Als ob sie als Mensch sonst wertlos wären.

Sogar unter Liebenden gilt es als Ausdruck höchstens Begehrens und inniger Verbundenheit, wenn man dem anderen bescheinigt, dass man ihn braucht und ohne ihn nicht leben könnte.

Dabei fängt erst jenseits des Brauchens die wahre Liebe und jenseits des Notwendigen die Lebensleichtigkeit an.

Luxus ist eigentlich ein Sinnbild des Schönen. Ausdruck eines tiefen Sehnens.

Es geht im Leben nicht nur um das, was wir brauchen, um zu überleben.
Es sollte für alle Menschen selbstverständlich sein.

Wir sollten aufhören zu verpönen, was wir mögen. Sollten selbstbewusst diese alte innere Begrenzung durchbrechen.

Erst wer sich geistig zu dem, was er mag, bedenkenlos bekennen und dem Luxus echten Wert beimessen kann, hat sich innerlich ein Stück vom Herrschaftsdenken befreit.

Luxus tut gut!

Menschen "brauchen"
Lebensleichtigkeit,
"brauchen", was sie mögen,
"brauchen" Luxus,
um sich voll und ganz entfalten zu können,
um im Sinne wahrer Lebenserfüllung selbstbewusste, kraftvolle, strahlende Luxuswesen zu sein.

Freitag, 16. Juli 2010

neu?

Was ist neu? Was bedeutet "neu"?

Neu ist alles, was es bisher nicht gegeben hat!
Neu ist die Gegenwart.
Neu sind der jetzige Augenblick, der gerade ablaufende Schritt, dieser Atemzug. Genau genommen, ist alles neu, was heute, jetzt in diesem Moment so ist, wie es ist. Sogar wenn es sich gegenüber gestern selbst nicht verändert hat, steht es doch in einem neuen Zusammenhang, weil sich zwischenzeitlich drum herum die Welt gewandelt hat.

Neues ist selbstverständlich.
Das Leben, die Welt, der Kosmos wandeln sich unablässig zum Neuen hin.

Warum dann überhaupt vom Neuen sprechen?
Vielleicht, weil wir zu wenig gewohnt sind, auf das Neue zu achten und es als Freund zu betrachten.
Zu lange wurde den Menschen eingeredet, dass es um die Fortsetzung der Vergangenheit ginge, dass es feste Ordnungen gäbe, dass das Leben in Kreisläufen verliefe und man sich in das, was ist, zu fügen hätte. Wandel befand sich nicht im Fokus, Veränderungen galten als gefährlich. Fortschritt wird von vielen heute noch verpönt.

Wer begegnet dem Neuen mit Zuversicht?
Und ich meine jetzt nicht allein den nächsten Atemzug, den nächsten Augenblick, sondern morgen, übermorgen und all das, was in der Zukunft sonst noch kommen mag, völlig anders, als wir es kennen, in einem noch nie gesehenen neuen Gewand, mit ungewohnten Inhalten, mit besonderen Herausforderungen und ungeahnten neuen Chancen.
Neu in einer Art und Weise, wie sie Menschen bisher nicht kannten.
Ich meine das außerordentlich Neue, das es tatsächlich nirgendwo noch niemals gab.
Das, worauf es wirklich zu achten lohnt.

In diesem speziellen Sinne ist natürlich längst nicht alles neu, was augenblicklich neu geschieht und gegenwärtig so und nicht anders existiert.
Das außergewöhnliche, einzigartige, wesentliche Neue gehört immer noch zu den ganz seltenen Erscheinungsformen. Viel zu viel wird zu viel schnell und fälschlicherweise als neu deklariert.
Manches erscheint dem einzelnen nur deshalb neu, weil er es bisher nicht kannte. Vielleicht probiert jemand einen für ihn selbst ganz neuen Schritt aus, der von anderen aber schon unzählige Male getan.
Das wirklich Neue setzt sich in der Regel langsam fort..
Von den meisten Menschen anfangs gar nicht wahrgenommen.

Wirklich innovatives Neues zu entdecken oder gar selbst zu kreieren, dazu braucht es Mut, Kreativität, Pioniergeist, Neugierde, Experimentierfreude und wahrlich große Offenheit.
Man riskiert Freunde, Beziehungen, Vermögen und manchmal sogar sein Leben.
Kann aber auch all das und noch viel mehr dabei gewinnen. Doch Gewissheit gibt es keine. Am sichersten ist die eigene Lebendigkeit.

In jedem Fall erscheint es mir an der Zeit, den eigenen Fokus, weg vom Alten mehr auf das Neue zu richten. Offen und neugierig. Mutig, aber nicht hingebungsvoll, nicht gläubig und nicht unterwürfig, sondern wachsam prüfend und sensibel spürend, ob es wirklich gefällt und echte Bereicherung bringt. Jeder für sich, jeder allein.
Weshalb es so wichtig ist, in gutem Kontakt mit sich selbst zu sein.

Niemand wird sich dem Neuen letztlich verwehren können.
Doch jeder einzelne kann mit Offenheit, Sensibilität und Authentizität - eigenverantwortlich und im Austausch miteinander - an der Gestaltung des gemeinsamen Zukunft mit beteiligt sein, so dass sich das Neue in eine für uns alle angenehme Richtung bewegt.

Freitag, 9. Juli 2010

Müll am Schlachtensee

Berliner Hitze.
Früh morgens zum Schlachtensee!
Landschaftliche Idylle.
Stille.
Und - unsäglicher Müll.
An vielen Stellen Partyreste am sonst wunderschönen Ufer.
Leere Wein-, Bier- und Whiskyflaschen. Essenreste weit verstreut. Im Suff einfach liegen gelassen.
Spaß verderbend!

Innere Bilder, wie sie grölend von dannen zogen.
Vorurteil. Überzeugung: Jugend!
"Hat es früher nicht gegeben." (?!) Dummes, lautes, primitives Volk.
"Proleten!". - Eigene Dummheit!
Kann ich es wissen?

Vielleicht waren es Erwachsene. Vielleicht auch die Kinder der Reichen und so genannten Eliten.

Welch Unsinn, pauschal auf die Jugend einzuschlagen!
Sie ist ehrlich.
Die Jugend hält der Gesellschaft einen Spiegel vor.
Unbewusst ganz besonders diejenigen bewertend, die nach eigenem Anspruch oben sind.

Welche Werte werden vorgelebt - jenseits des eingezäunten eigenen Gartens?
Landschaft wird von einflussreichen Erwachsenen rigoros platt gemacht, wenn es zu ihren eigenen kurzfristigen Interessen passt.

Jugendliche nehmen die Vorbilder, die ihnen geboten werden.
Und sie sind selbst manchmal doch viel besser:

Ich habe am Schlachtensee schon junge Menschen beobachtet, die frühmorgens als Gruppe ganz freiwillig den Dreck anderer Leute eingesammelt haben.
Ich habe so etwas noch nicht getan.
Heute hätte ich die Chance dazu gehabt, denn sie waren noch nicht da.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Titel ade

Schlecht gespielt, verdient verloren. Wie ausgewechselt waren sie. Zu wenig Elan, zu wenig Beweglichkeit. Und zu wenig auf den Gegner eingestellt. Wieder hat flexible Anpassung gefehlt. Vielleicht auch Müller. Ganz dumm dazu die "Kapitän"-s-Diskussion: Wie kann man sich vor einem so wichtigen Spiel derart mental belasten? Da zeigt sich genug Unreife noch.

Samstag, 3. Juli 2010

Spüren

Nun hab dich nicht so!
Das ist doch nicht weiter schlimm! Sei nicht so zimperlich! Da muss man halt durch! Anderen geht es auch nicht besser! Du schaffst das schon! Da kann man eh nichts ändern. Nur die Harten kommen durch. Ich muss das noch zu Ende bringen. Das darf nicht wahr sein! Ich kann doch nicht schon wieder müde sein!
Innere Dialoge. Alte Sprüche. Schon gehört? Längst verinnerlicht?
Herrschaftsglaubenssätze, mit denen sich Menschen selbst zum Funktionieren trimmen.
Gegen Müdigkeit einen Kaffee! Schmerzmittel gegen Schmerzen. Bei Sorgen hilft Joggen. sich selbst aufputschen oder sich betäuben.
Nur nichts spüren, was dem Kopf nicht passt! Der Körper soll gehorchen.

Mit eigener Selbstwahrnehmung ist es bei den meisten Menschen nicht weit her.
Identifiziert mit ihren eigenen Gedanken, unreflektiert in ihren Glaubenssätzen, treiben sie sich selbst und einander viel effektiver als die besten Aufseher an. Sogar Vergnügen muss geleistet werden: Das muss man unbedingt gesehen haben! Hast du das etwa noch nicht gelesen? Was? - Du nicht dort! Wir müssen uns mal wieder treffen! Wenn ich bloß mehr Zeit hätte! Ich kann mich nicht zerreißen. Da kann man doch nicht nein sagen! Wie sähe das denn aus?

Wer sich selbst nicht spüren kann, ist unfähig, für sein eigenes Wohl zu sorgen.
Wer auf das eigene Wohl nicht achtet, geht auch unachtsam mit seinen Mitmenschen und mit unserer gemeinsamen Umwelt um.
Süchte machen unsensibel, und damit machen wir die Welt kaputt!

Wer sich selbst nicht wahrnehmen kann, kann die Verantwortung für sich selbst und seine Mitverantwortung für das große Ganze nicht tragen.

Sich spüren:
Wie geht es mir wirklich? Was empfinde ich? Was fühle ich? Was denke ich? Was bilde ich mir vielleicht nur ein? Was ersehne ich mir tief innen?
Wer traut sich an den bewussten Kontakt dazu heran?

Sich selbst spürend, fängt das wahre Menschsein an!

Donnerstag, 1. Juli 2010

Wulff gewählt

Es war nicht schön das Machtgerangel. Geradezu widerlich.
Doch ist mir Wulff durchaus sympathisch.
Ich mag ihm eine Chance geben.
Ein neues Präsidentenbild darf wachsen.

Wenn er ein buntes Deutschland fördern will, braucht er selbst nicht bunt zu sein.
Man sollte von oben nicht das Ideal erwarten.
Es reicht, wenn es Spielraum gibt, sich selbst dem eigenen Ideal anzunähern.