Sonntag, 6. November 2011

Mensch und Natur 2

Ich weiß nicht, wie die Natur tickt. Ich weiß nicht, ob sie mich mag. Ich weiß nicht, ob manche Bäume mich lieben oder irgendein anderes nicht menschliches Lebewesen mir wirklich zugewandt ist. Ich weiß nur: Ich liebe mich selbst, und ich liebe sie, die Natur und mit fast all ihren Facetten. Sie bildet die Grundlage meines Lebens. Ich fühle mich unauflösbar eingebettet in die Natur, und ich weiß, dass ich es bleibe – egal, was ich tue. Ich bin ein Teil von ihr. Zu meiner Selbstliebe gehört sie dazu. Wenn ich mich liebe, liebe ich die Natur. Wenn ich die Natur liebe, liebe ich mich. Wenn ich will, dass es mir gut geht, möchte ich auch, dass es der Natur gut geht. Es ist unmöglich, mich abzutrennen.


Doch was ist gut für die Natur? Was ist gut für mich? Und ist sie ihrerseits immer gut zu mir? Ich halte die Natur nicht für das Paradies, als das sie manche Menschen erachten. Weder für uns, noch für andere Lebewesen. Denn wir alle bilden gemeinsam das Leben, die lebendige Natur - mit Interessen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Salatköpfe und Kühe, Löwen und Lämmer, Bakterien und Viren. Eine lebendige Natur unabhängig davon gibt es nicht. Ich maße mir nicht an zu wissen, was sie will und was gut für sie wäre.

Leben bedeutet Veränderung. Auch die Natur verändert sich ständig. Es wird niemals einen gleichzeitig festen wie lebendigen Naturzustand geben.

Die Natur ist immer nur so, wie sie insgesamt gerade ist. Immer wieder neu. Immer wieder anders. Weder gut noch schlecht, weder krank noch gesund. Ohne irgendeine Absicht. Sie sorgt nicht, sie liebkost nicht und schlägt schon gar nicht auf uns zurück. Denn wir Menschen sind ein Teil von ihr – eingeschlossen all das, was wir verändern und ihr hinzufügen. Menschliche Zivilisation und Kultur sind ein Ausdruck lebendiger Natur. Sie kann sich und will sich dagegen nicht wehren, weil es eine Trennung zwischen Mensch und Natur nicht gibt.


Wir sollten uns nicht kleiner machen und nicht größer als wir sind. Weder die Natur, noch uns selbst erhöhen.

Einschätzungen, die nicht der Realität entsprechen, sind stets zum eigenen Schaden.

Kein Größenwahn und keine falsche Demut. Es sind keine höheren Ordnungen, auf die wir zu achten hätten. Das Maß, auf das es ankommt, ist in uns selbst zu finden. Die Natur hat es uns mitgegeben: das eigene tiefe Wohlbefinden.


Das Innere ist viel elementarer für uns selbst als alle angeblich erkannten elementaren äußeren Naturgesetze. Spüren ist wichtiger als Denken.

Das gesunde Maß lässt sich nur erspüren. Im eigenen Innern. Immer wieder neu. An das Leben gebunden ist es seinerseits lebendig, verändert sich entsprechend ständig und gibt im Unterschied zu starren geistigen Konzepten stets einen variablen Rahmen vor. Im sensiblen Kontakt mit dem, was wir tief innen spüren können, dürfen und sollten wir tun, was uns gefällt. Und wenn wir tun, was wirklich gut für uns ist, dann ist es auch gut, was wir tun. Es gibt keine höhere Ordnung, an der wir menschliches Handeln sonst bemessen könnten.


Nicht einmal um die Natur brauchen wir uns dabei scheren. Es geht nicht um sie. Kein anderes Tier maßt sich an, dass es für die Natur zu sorgen hätte. Wir sollten herunterkommen vom kindlich-egozentrischen Größenwahn: Die Natur ist größer als wir. Wir können sie nicht zerstören, und wir brauchen sie nicht beschützen! Es geht um uns selbst als kleine tierische Menschenwesen.


Es täte uns gut, wenn wir uns als Menschen endlich zur Natur und somit auch zum guten Tier in uns selbst bekennen. Denn erst wenn wir uns als Teil der Natur verstehen und ganz tief innen als Tiere annehmen können, kommen wir uns selbst richtig nah, werden auch dann erst spüren, was wirklich gut für uns ist und dabei unsere Position in der Welt begreifen können mit unserer wahren, im kosmischen Zusammenhang letztlich winzigkleinen Größe.


Es reicht völlig, die Verantwortung für das zu übernehmen, wofür wir als Menschen wirklich verantwortlich sind: Für uns selbst, für unser eigenes Denken und für unser Tun samt der Mitverantwortung für die Konsequenzen, die sich daraus für uns selbst ergeben.

Damit hätten wir als Menschen allemal genug zu tun.