Mittwoch, 23. Januar 2013

Gibt es eine Wahrheit oder viele?



Ich betrachte sehr kritisch, was ich als eine Tendenz zur Inflationierung von Wortbedeutungen verstehe. Viele Begriffe sind inzwischen bis zur Unkenntlichkeit aufgebläht, weil jeder etwas anderes darunter versteht - so dass sie am Ende alles bedeuten und gar nichts mehr aussagen können. Wahrheit zählt zu diesen Worten. 
Hier kann der Streit schon darüber beginnen, ob nur eine Wahrheit besteht oder ob es unzählig viele davon gibt. Das und dies und jenes sollen dann Wahrheiten sein, obwohl es in meinen Augen allenfalls Überzeugungen und Meinungen sind.
Ich halte sehr viel davon, Wahrheit als ein singuläres Ideal zu definieren, das niemand jemals ganz übersehen und umfassend verstehen kann. Auch das, was ich denke, sage und schreibe, durchaus für wahr und richtig ansehe, versuche ich immer wieder, auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, denn ich weiß, dass ich mich irren kann. Deshalb werde ich bezüglich meiner Gedanken niemals von der Wahrheit sprechen.
Es wird m.E. immer eine Diskrepanz zwischen den eigenen geistigen Fähigkeiten und der Wahrheit bestehen. 
Aber ich finde es wichtig, davon auszugehen, dass es solch einen Bezugspunkt außerhalb meines eigenen Geistes gibt. 
Es wäre doch dumm, das, was ich sehe und denke, als umfassend richtig zu verstehen, wo doch sowohl meine Wahrnehmungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. wie auch Verständnis darüber hinaus nur möglich ist, wenn ich dafür abstrahiere und vereinfache, mir Modelle und Vorstellungen baue, die doch niemals identisch mit dem sein können, was wirklich ist.
Nur wenn man den egozentrische Wahn besprechen kann, indem man davon ausgeht, dass es tatsächlich diesen äußeren Bezugspunkt gibt, ergeben auch das Philosophieren und Austausch darüber Sinn.

Das Außen definiere ich übrigens als Realität. 
Real ist für mich alles, was wirklich ist. Zwischen Realität und Wirklichkeit unterscheide ich nicht. 
Aber das, was wirklich ist, kann ich als Mensch können wir auch gemeinsam niemals gänzlich erfassen. Ich gehe davon aus, dass die Realität unabhängig von mir selbst, von meiner Erkenntnis und meinem Denken besteht. Es kann sein, dass ich Dinge nicht wahrnehme, nicht sehen kann oder will, aber das ändert nichts an ihrer tatsächlichen Existenz. 
Zur Realität gehört m.E. alles und wirklich alles - sogar zeitübergreifend bis zum Ursprung allen Seins, vom Makrokosmos bis in den Mikrokosmos hinein. Es zählen letztendlich sogar alle menschlichen Vorstellungen und Gedanken, selbst wenn sie ihrerseits nicht der Realität sprechen müssen, dazu. Denn auch Irrtümern und Lügen sind gegeben und somit gewissermaßen real.
Es gibt somit auch nicht unterschiedliche Realitäten, sondern nur eine Realität, in der wir uns alle gemeinsam mit allen anderen Lebewesen und allem anderen Sein befinden. Daneben (und mit dazugehörig) existieren unzählige Blickwinkel, Realitätssichten darauf, die fälschlicherweise als unzählige Realitäten oder Wahrheiten verstanden werden - von Menschen die rechthaben wollen, keine Zweifel und Fragen mögen oder aus anderen Gründen.
Wahrheit wäre für mich die umfassende Widerspiegelung der gesamten Realität im eigenen Kopf. 
Das kann allenfalls Anspruch niemals Wirklichkeit sein.