Mittwoch, 28. Januar 2015

Auseinandersetzung mit beeindruckendem Wandel

  •  "Hut ab" vor dieser Frau!

  • (die ich persönlich nicht kenne)
  • Konversation von einem anderen Netzwerk

  • Ursprünglicher Post:

  • Natürlich werden die angeborenen kindlichen Lebensmuster samt ihrer individuellen Ausprägungen zeitlebens erhalten bleiben und insbesondere bei eigener Schwäche wieder in Erscheinung treten, doch ist es nicht das Ziel lebendigen Wachstums, sich davon bestimmen zu lassen.

  • Kommentare: (Mit Zustimmung der Beteiligten und samt Punktreihen - bis auf die Anonymisierungen(_) - authentisch.)
  • 1. Sein inneres Kind lieben, und gleichzeitig dazu in kritischer Distanz zu bleiben, ist ein Widerspruch in sich. Genau dieser Rat führt dazu, das man nicht wachsen und lernen kann.


    1. Ich arbeite sehr viel mit dem inneren Kind. Und ich kann dir sagen, das du hier einem Trugschluss aufsitzt.

    2. Nein, (1), das sehe ich nicht als Widerspruch. Eine reife Liebe ist stets zu kritischer Distanz fähig - und geradezu dazu aufgerufen, um dem geliebten Wesen (auf Wunsch) ein sinnvolles Korrektiv bieten zu können.


    2. Nur wer selbst erwachsen wird, wird für ein Kind (auch für sein inneres Kind) liebevoll (und kompetent = zum Wohle des anderen) sorgen können. Genau dazu sind die Erwachsenen (und die erwachsene, reife Liebe) natürlicherweise da.
  • 1. Es gibt keine reife Liebe für ein Kind, Kinder benötigen die absolute Liebe. Und dies gilt auch für das innere Kind. Dem inneren Kind kann/soll/musst du bedingungslose Liebe geben. Umgelegt bedeutet die Liebe zum inneren Kind, das du dich selber bedingungslos liebst. Und genau das ist aber ganz wichtig! Wer sich selbst nicht bedingungslos liebt, wird nie in der Lage sein sich Kritik zu stellen, weil jede Kritik mit Liebesentzug verbunden sein würde. Dies schürt damit jede psychische Störung. Insbesondere Borderline und Narzissmus. Und negiert somit jede Art der Weiterentwicklung und des dazu lernens. Daher ist es ein Trugschluss, so wie es hier steht. Deine Ausführung könnte massiven Schaden an Personen nehmen, welche mit dem inneren Kind arbeiten, weil sie anfangen könnten die Gefühle und Gedanken des inneren Kindes zu sanktionieren, anstatt sie zuzulassen, mit ihnen zu arbeiten, und ihnen mit Hilfe des Erwachsenen-ICH's neue Denkanstöße zu geben


    1. #DBT (?)
  • 2. Ich habe den Eindruck, dass du hier auf ener Überzeugung sitzt - so vehement, wie du reagierst ...
  • 3. Dem inneren Kind eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein ist AUCH kritisches Abwägen meiner Interaktionen mit dem inneren Kind, also mit meinen Verhaltensmustern. Ein Focus dazu ist Distanz.

    1. Und ich habe das Gefühl, das du gerade keine Kritik verkraften kannst. ;)
  • 2. ;)  ....  
  • 1 Mach nur - ist nicht mein Leben.
  • 2. ……
  • 1. Wartet mal Leute, ich finde da gerade was in mir! Also, Analyse: Ich assoziere kritische Distanz mit Liebesentzug! Na das ist doch falsch, das steht hier ja so nicht.
  • 1. :D
  • 1. Interessant - Das ist eindeutig mein Borderline !
  • 4. man sollte sich immer kritisch gegenüberstehen aber eher die erwachsene frau bzw der erwachsene mann, aber das kind sollte man meiner meinung nach bedingungslos lieben, weil wie die (1) schon gesagt hat wirklich quasi ein liebesentzug ist , oder besser gesagt man sollte sich kritisieren auch das kind aber es trotz all seinen fehlern und lieben also auch seine kritikpunkte lieben, das bedeutet bedingungslos lieben , aber auf sich selbst angewiesen zu sein sollte man nicjht nur jetzt sondern darauf wäre es gut schon als kind hin zu arbeiten von einem zum anderen ohne lernen funktioniert das nicht
  • 5. Siehst Du, wie schwierig es mit dem Begriff Liebe ist, (2) - weil jeder seine eigene Definition des Begriffs hat und andere Dinge damit assoziiert? ;)
  • 1. Es ist aber nur geil, das er durch diese Post und durch die Mitteilung seiner Gedanken zu diesem Seelen-Trip eingeladen hat. Also ich hab daraus wieder was gelernt.
  • 1. Die Konfrontation mit meinen Urängsten und Assoziationen, lädt dazu ein sich neu zu definieren.
  • 2. Danke (1)! Es ist vielleicht auch missverständlich von mir ausdrückt. Ich gebe dir und (4) vollkommen recht, dass es gegenüber einem Kind von Seiten der Erwachsenen immer um eine bedingungslose Liebe gehen sollte (was für mich zu reifer Liebesfähigkeit dazugehört!).
  • Mein Spruch ganz oben bezieht sich aber auf das Verhältnis zwischen "Erwachsenem" und "inneren Kind". Und da sollte die "kritische Distanz" des "Erwachsenen" so weit reichen, dass er sich nicht mit dem "inneren Kind" identifiziert sondern es als einen (sehr wichtigen) Teil seiner Gesamtpersönlichkeit betrachten kann, um es dann (und damit letztlich auch sich selbst) aus seiner erwachsenen Liebesfähigkeit bedingungslos lieben zu können.
  • Kritsiche Distanz und reife (gegenüber einem Kind auch bedingungslose) Liebe sind für mich daher kein Widerspruch. Und kritische Distanz hat für mich auch überhaupt nichts mit Liebesentzug zu tun.
  • 1. ja, ich verstehe! Und bin sehr dankbar für diese geistige Anregung, und aber auch meinem inneren Kind, das es sich hier zu Wort gemeldet hat. :D
  • 2. Ich bin sehr berührt, dass solch eine Konversation auf —— möglich ist ! Danke allen! :) 
  • 1. :D 
  • 6. Mich berührt die gegenseitige menschliche Wertschätzung in euren Dialogen, die ich aus der Art und Weise der Interaktion interpretiere. Ich spüre gerade totale Freude, dass so etwas auf —— möglich ist ... Danke!!!
  • 1. Bedingt durch mein Impulsivität, kann es im ersten Moment vorkommen, das ich etwas schnell schieße und abwehre. Aber ich abreite daran, und denke trotzdem immer nach darüber, was andere sagen. In dem Fall bin ich eh schnell dahinter gekommen, Gott sei Dank. :D

Donnerstag, 22. Januar 2015

Sprachverwirrung - umgekehrt



Die Neigung, Begriffe bis zur Unkenntlichkeit aufzublähen, wird zu einer umgekehrten Babylonischen Sprachverwirrung führen - wenn wir am Ende mit gleichen Worten völlig Unterschiedliches meinen und differenzierte Verständigung dann kaum noch möglich ist.



Daher bin ich zwecks geistiger Klarheit und besserer Verständigung gegen die oft zu beobachtende Tendenz, das Besondere mit dem Allgemeinen begrifflich gleichzusetzen, auch wenn das Besondere stets ein Teil des Allgemeinen ist.
So gehört Denken zwar zu den neuronalen Prozessen, doch sind nicht alle neuronalen Prozesse damit schon Denken.
Ebenso ist Leben Veränderung, doch nicht jede Veränderung damit auch Leben.
- Sonst bräuchte es dafür gar keine unterschiedlichen Worte geben.

Dienstag, 20. Januar 2015

Kindische Fragen?

Fragen, die ich mir vor vielen Jahren stellte - und mir bis heute nicht einbilde, sichere Antworten auf alle zu wissen ....

Was macht den Menschen aus, und welchen Sinn hat Leben? Wozu sind wir angelegt? Und wo läuft die Entwicklung hin? Gab es ein Paradies? Ist Bewusstheit schlecht? Hätten wir besser auf den Bäumen bleiben sollen?
Ist es gut, nach Lebensglück zu streben? – Woher weiß ich, was richtig ist?

Gibt es überhaupt richtig und falsch? Eine Wahrheit oder unendlich viele?
Hat im Grunde jeder recht? Darf dann auch jeder machen, was er will?
Worauf sollten wir uns einigen? Und wie kommen wir überhaupt zusammen?
Sind zwei Menschen für einander bestimmt? Können wir auf Dauer glücklich sein?
Wozu sind Gefühle da? Und wie ist der Weg zum Glück?
Woran erkenne ich, ob ich wirklich glücklich bin?
Und woher weiß ich, was gut für mich ist?
Darf ich mich vergnügen? Habe ich ein Recht zu fordern? Oder sollte ich mich mehr bescheiden? Wie tue ich Gutes?

Gibt es das Böse? Ist der Mensch an sich doch schlecht? Bringen uns nur Katastrophen voran? Warum sollte man Kriege dann verhindern? Darf man Menschen verhungern lassen? Wird durch unsere Eingriffe die Not nicht noch vermehrt?
Gehört das Leid gar unausweichlich mit zum Leben? Stellt es etwa ein Vorrecht dar? Ist das Leben schließlich doch nur Pflicht? Macht dann auch Krankheit einen Sinn? Ist es dumm, gesund zu bleiben?
Was ist eigentlich Gesundheit?
Und was ist überhaupt Leben?

Warum strengen wir uns an? Können wir uns zuviel aufladen?
Ist Selbstschutz schon verwerflich? Darf Liebe egoistisch sein?
Gibt es überhaupt die Liebe?
– Wofür bin ich selbst verantwortlich? Und wie vermeide ich Fehler?
Woher weiß ich, ob ich selbst in Ordnung bin? Muss ich mich entwickeln? Und wohin habe ich mich zu verändern? Bin ich jemals fertig? Welchen Maßstab gibt es?

Kann ich mich auf meine innere Stimme verlassen?
Habe ich eine Seele? Was ist eigentlich der Geist? Gibt es einen Gott?
Müssen wir uns einer höheren Ordnung unterwerfen?
Soll ich glauben? Was soll ich glauben? Woher weiß ich, ob mein Glaube richtig ist?
Was ist Wissen? Wodurch weiß ich, dass ich weiß?
Sind Zweifel schon von Übel? Und sind Fragen schlecht?
Wie viele darf man stellen? Müssen sie alle beantwortet werden? Gibt es Fragen, auf die es keine Antwort gibt? Stellt Glauben eine Antwort dar? Lässt sich damit reale Lebenskompetenz gewinnen?
Um welche Fragen soll ich mich kümmern, um welche nicht? Sind das selbst schon Fragen, auf die es keine Antwort gibt?
Welche Antworten sind überhaupt sicher?
Hängt es davon ab, worauf wir uns einigen können? Ist es möglich, dass wir uns gemein­sam irren? Woran wollen wir das ermessen? Daran ob wir glücklich sind? – ....zählt nicht nur der Augenblick?

Kindische Fragen, die eines Erwachsenen unwürdig sind?
Bedeutet Erwachsensein etwa einen Zustand ohne Fragen?
Was ist, wenn man die Fragen einfach nur verdrängt?
Sind sie nicht die Voraussetzung zum Lernen?
Schläft man mit ihnen dann nicht auch selber ein?

– Ist am Ende nur das Fragen weise?


– Doch was nützten alle Fragen, wenn man keine Antworten sucht ...?


Donnerstag, 15. Januar 2015

Was ist Denken? - Versuch einer Eingrenzung 1



"Denken" als neuronaler Impuls.



Alle Begrifflichkeiten haben immanent das Problem, dass sie von Menschen definierte Kategorien darstellen, die mitunter recht willkürlich getroffen und niemals wirklich klar abzugrenzen sind - weil es in der Realität die von uns gedachten Grenzen gar nicht gibt.
Die Wirklichkeit ist letztlich ein großes Ganzes, in dem unendlich viele Aspekte (auf eine für uns mitunter sehr widersprüchliche Weise) wirken und dennoch ein Gesamtes bilden. 
So ist auch die Unterscheidung zwischen Leben und vermeintlich toter Materie beim näheren Hinsehen exakt gar nicht möglich. Auch Menschen als (vermeintlich) autonome Wesen in Körper, Seele und Geist zu diversifizieren, wird auf Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen, weil wir selbst letztlich nur als Gesamtes funktionieren.

Die Ergebnisse der Hirnforschung werden hinsichtlich ihrer Deutungskraft für eine Erklärung des Denkens gern überschätzt.

Die wissenschaftliche Forschung, die sich fast immer auf sehr spezielle Aspekte des Gesamten konzentriert, lässt jedoch trotzdem ganz neue Einblicke in die Funktionsweisen innerhalb unseres Organismus zu. Das Erklärungspotential der Hirnforschung reicht aber nicht für eine klare Definition des Denkens aus.
Dass wir das „Denken“, indem wir es als „neuronalen Impuls“ erkennen, wirklich verstehen könnten, halte ich für reine Illusion. 

Ähnlich wenig wie das  Vorhandensein von Botenstoffen über die Bedeutung von Gefühlen aussagt, gibt uns der "neuronale Impuls" wirklich Wesentliches über das "Denken" preis. Viel wichtiger wäre die Fragestellung: Warum hat sich im Laufe der Evolution die Ausstattung sehr vieler Lebewesen so entwickelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen in ihnen solche Botenstoffe ausgeschüttet (und mit ihnen Gefühle gebildet) oder "neuronale Impulse" in bestimmter Art und Weise durch spezielle Anlässe aktiviert werden.

Im übrigen können wir, was die Messdaten hinsichtlich des „Denkens“ betrifft, es bisher allenfalls als eine ungenaue Anzahl neuronaler Impulse registrieren und diese vielleicht noch - mehr oder weniger undeutlich - mit dem Ort, an dem sie auftreten, verbinden. 

Das besagt aber sehr wenig über die Zusammenhänge ihres Zustandekommens und noch weniger über die tatsächliche Bedeutung dieser Impulse. 
Bisher ist die Messgenauigkeit in etwa so, als ob wir das Vorhandensein von elektromagnetischen Wellen mäßen, aber außer ihres Quellpunkts nichts weiter bestimmen könnten. Was ist es für ein Sender? Kommen die elektromagnetischen Impulse von einer Mikrowelle, einem Handy oder einer Fernbedienung? Polizeifunk oder Feuerwehr? Werden Töne oder Bilder transportiert? In welchem Zusammenhang stehen die einzelnen Impulse miteinander? Transportieren sie analoge oder digitale Daten, und was sagen die aus? Welcher der unzähligen Fernsehsender sendet welches Programm und welche Daten in welcher Qualität gerade aus - und welche Botschaft ist darin für die möglichen Empfänger enthalten? Dunkel..... Rauschen....
 Bisher erkennen wir nur, dass und von wo etwas mit einer gewissen Intensität gesendet wird und können allenfalls über den Ort der Aktivität ganz vage Rückschlüsse auf den Inhalt ziehen.

Das Denken allein als neuronalen Prozess zu beschreiben, würde also lediglich dem entsprechen, dass man den Menschen in seiner Eigenart als Lebewesen an sich schon genügend beschrieben sähe. Doch "Mensch" und "Lebewesen" bedeuten nicht das gleiche, auch wenn der Mensch zweifellos ein Lebewesen ist. Will man ihn damit nicht von anderen Lebewesen unterscheiden, bräuchte man den Begriff "Mensch" nicht verwenden. Ganz verrückt wird es aber, wenn man mit dem Begriff "Mensch" eigentlich nur "Lebewesen" meint.
Allein, wenn man seine spezielle Besonderheit gegenüber anderen Lebewesen damit ausdrücken will, bringt es Sinn, den Begriff „Mensch“ zu wählen. 
Für genaueres Verständnis und deutlichere Verständigung sind jedenfalls Unterscheidungen und mit ihnen auch spezielle Begriffe wichtig - so willkürlich sie vielleicht auch sein mögen (zumal heutzutage niemand mehr - was ich für richtig halte - eine Definitions- oder Deutungshoheit besitzt).

Da es ständig unzählige sehr unterschiedliche neuronale Aktivitäten in uns gibt, 
ist "Denken" als "neuronaler Prozess" nicht hinreichend definiert!

Es gibt ganz allgemein unzählige neuronale Prozesse.
Neben unendlich vielen neuronalen Steuerungsfunktionen für „rein“ körperliche Prozesse, neben dem neuronalen Auslösen von emotionalen Reaktionen findet speziell im Gehirn auch die neuronale Aufnahme und Verwertung von Datenimpulsen aus dem Umfeld statt.
Die Wahrnehmung über unsere Sinne braucht z.B. eine enorme (wohl sogar mit der weltweiten Vernetzung der größten Computer bisher nicht darstellbare) Datenverarbeitungskapazität, um aus der immensen Datenflut, die ständig auf unsere Sinne dringen, innere Bilder und andere für den Gesamtorganismus verwertbare Informationen (samt ihrer instinktiven/intuitiven Bewertung) zu formen. 

Diese Prozesse würde ich durchaus als geistige Fähigkeiten und Aktivitäten definieren, selbst wenn uns davon nur ein Bruchteil (x/1000000) ins Bewusstsein dringt.

"Denken" findet jenseits der direkten Wahrnehmung und der dazugehörigen Datenverarbeitung statt.

Erst wenn es möglich ist, die intuitiv geformten Informationen, die inneren Bilder,  Erfahrungen durch ein relativ freies und willkürliches Verschieben von Daten einigermaßen bewusst zu relativ eigenen Vorstellungen und Gedanken kreativ zu verändern, bringt es m.E. Sinn, von „Denk“-Prozessen zu reden.


Dabei lässt sich „Denken“ (auch hier 
unausweichlich wieder die unscharfe Grenze) seinerseits nicht auf die bewusste Ebene beschränken. 
Ähnliche, die ursprünglichen Informationen verändernden neue Verknüpfungen finden ebenfalls beim Träumen statt, was sich wiederum nicht allein auf den Schlaf begrenzt, sondern uns wahrscheinlich parallel zur bewussten Ebene fortwährend begleitet. Deshalb fallen uns manchmal auch (echte oder nur vermeintliche) Lösungen auf vorher bewusste Fragestellungen scheinbar rein zufällig, wenn wir gar nicht daran „denken“, ein ….


Montag, 12. Januar 2015

Gibt es "das Böse"?



Die schrecklichen Terroranschläge dieser Woche in Paris (wie auch an vielen anderen Orten der Welt) erscheinen den meisten Menschen als abgrundtief schlecht und dienen nicht wenigen als Bestätigung dafür, dass es etwas Böses tatsächlich gibt.

Ich glaube nicht an das Böse, genauso wenig wie ich an das Gute an sich glaube.
Gut und böse sind religiöse Kategorien. Über uns schwebende verbindliche Werte zu sehen, setzt einen Glauben voraus, der, auch wenn er sich nicht auf Gott und Teufel, Himmel oder Hölle bezieht, eine klare Richtschnur suggeriert.

Die Gewissheit von schwarz und weiß, richtig und falsch.

Verbunden mit sehr einfachen Denkmustern, die vermeintlich sicheren Halt bieten - und doch fundamental irren….

Denn die Welt ist nicht so einfach gestrickt. Die Realität erweist sich beim näheren Hinsehen als unendlich vielfältig - und stets sind darin vermeintlich Gutes und vermeintlich Böses vereint.


Doch tief innen wollen Menschen in der Regel auf irgendeine Weise wichtig, wertvoll und in einem positiven Sinne vielleicht sogar besonders sein.
Wer will sich nicht auf der richtigen Seite fühlen, seinerseits mit dem, was er denkt und tut, richtig liegen, um an der Seite der Guten und mit dem „Guten“ verbunden durchs Leben zu ziehen?

Aber was ist richtig? Was ist menschlichem Wohle wirklich dienlich, und was bringt uns womöglich sogar gemeinsam voran?

Dies herauszufinden, ist stets sehr schwierig. Was eben noch sinnvoll war, kann im nächsten Moment schon unsinnig sein, und zudem steht mit dem Ja und Nein jeder allein - weil man die Verantwortung für eigene Entscheidungen letztlich sowieso niemals wirklich abtreten kann.

Viel leichter scheint es, das angeblich Gute im Gegensatz zum vermeintlich Bösen zu definieren. Feindbilder machen Orientierung leichter. Denn über das, was schlecht ist, kann man sich einfacher einigen. Ein monströses Verbrechen führt ggf. Millionen in der Antwort darauf zusammen.

Doch das vermeintlich Böse macht die vermeintlich Guten nur vordergründig stark. Gegen den bösen Feind vereint, kann man sich zwar an der Seite derjenigen, die sich dagegen solidarisieren, mit noch größerer Gewissheit richtig fühlen - selbst wenn sich die Meinungen darüber, was zu tun wäre, mitunter diametral widersprechen.

Viele sogenannte Gutmenschen brauchen persönlich das Böse und die Bösen als Feinde des Guten sogar, um ihre eigenen Widersprüche oberflächlich aufzulösen und sich selbst als gut zu wähnen. Dann glauben sie, dass sie ihrerseits allein schon deshalb automatisch auf der Seite der Guten wären, wenn sie sich gegen ein vermeintlich Böses wehren.   

Damit auch die letzten eigenen Zweifel ausgerottet möglichst werden, sollte zusätzlich das eigene Weltbild siegen. Denn schon längst lassen wir uns nicht mehr von dem, was wir innerlich spüren, leiten. Wir sind auf klare Vorstellungen von gut und böse angewiesen, weil wir über Jahrtausende als Menschen in allen Kulturen nach außen ausgerichtet wurden. 
Wir haben das Vertrauen und den tiefen Kontakt zu uns selbst verloren und brauchen nun die Orientierung an vermeintlich absoluten Wertsystemen, um uns selbst als wert zu fühlen. Und dieses eigenen Selbstwerts wegen, werden die jeweiligen Wertsysteme oft sogar von vielen über das eigene Leben und erst recht über das Lebensrecht von Andersgläubigen gestellt.

Doch indem Menschen ihre eigenen Maßstäbe verabsolutieren, um dann für das angeblich unzweifelhaft Gute (also gegen das aus ihrer Sicht Böse) zu kämpfen, handeln sie am Ende nicht anders, als sie es den vermeintlich Bösen vorwerfen.
Der Kampf an sich ist der Unsinn und mit ihm der Glaube an das Böse, der dem vermeintlichen Feind übergestülpt wird.
Eigene Gewissheit gehört zu jedem Überzeugungskrieg.

Die eigenen Werte- und Glaubenssysteme als die einzig legitimen, richtigen und wahren Maßstäbe zu sehen, gehört zum alten Denken, das nicht weiterhilft sondern seit jeher die unentbehrliche Grundlage für alle Kämpfe um eine angebliche Wahrheit bildet.


Ob irgendetwas gut oder schlecht ist, ob man sich selbst im Recht fühlt und einen anderen ins Unrecht setzt, wird immer aus den jeweils eigenen Wertsystemen heraus definiert. Und da auf dieser Welt sehr unterschiedliche Sichtweisen mit nicht selten entgegengesetzten Maßstäben gelten, kann ein Verhalten, das für die einen als Heldentat gilt, für andere ein verabscheuungswürdiges Verbrechen darstellen.
Ob ein Tötungsdelikt als Mord oder unvermeidbarer Kollateralschaden klassifiziert wird, ist letztlich allein Ansichtssache, die sich aus dem jeweils eigenen Wertesystem und Blickwinkel ergibt. Legitimer Kämpfer oder Terrorist - wer unterscheidet das?

Aus der eigenen Überzeugung heraus wird mit zweierlei Maß gemessen. 
Gewalt, die man selbst im Namen des vermeintlich Guten anwendet, wird grundsätzlich anders bewertet (gerechtfertigt, alternativlos, allenfalls bedauerlich) als das Handeln der vermeintlich Bösen (das man entsprechend willkürlich, grausam und verbrecherisch ansieht).
Nahezu täglich werden neben angeblichen Terroristen, die man ohne irgendein allgemein gültiges Recht und ohne jeden Richterspruch zu solchen erklärt, auch Zivilisten durch amerikanische Drohnen liquidiert, worüber man sich in der nach eigener Einschätzung zivilisierten Welt kaum empört. 

Ich habe mich oft gefragt, wie es sich wohl anfühlen muss, in einem Land zu leben, wo jederzeit „aus heiterem Himmel“ heraus Autos auf der Straße durch Bomben oder Raketen zerfetzt, Menschen in der Nähe mit in den Tod reißen können - egal ob solche Explosionen durch irgendwelche idiotischen Extremisten oder durch Raketenangriffe von Drohnen erfolgen, die auf vermeintliche Terroristen zielen.

War es nicht ebenso kaltblütig und brutal, einem Osama Bin Laden (zum Wohlgefallen vieler) aus nächster Nähe (durchaus kalkuliert) mitten ins Gesicht zu schießen (statt ihn dem internationalen Gerichtshof vorzuführen)? Nicht viel anders haben es die Attentäter von Paris mit dem am Boden liegenden Polizisten (ihrem - aus ihrer Sicht - Feind) getan. Aber auch diese Mörder betonten (ob man es hören mag oder nicht) ihre Absicht, keine Zivilisten töten zu wollen. - Sie sahen einfach nur aus ihrer schrecklich dummen Überzeugung heraus diejenigen, die sie selbst ermordeten, nicht als Zivilisten an. (Tatsächlich ließen sie den Fabrikbesitzer laufen, töten auch an der Tankstelle nicht und hätten wohl unzählige weitere Möglichkeiten zur Ermordung vieler anderer Zivilisten besessen).


Doch egal ob Zivilist oder Soldat (warum überhaupt diese Unterscheidung?) - wir alle sind Menschen! Und es gibt keine echte Rechtfertigung dafür, irgendeinen anderen Menschen gegen seinen Willen zu töten.
Zudem ist es stets der jeweils eigene Wahn, sind es die jeweils eigenen Feindbilder, die Menschen zu Feinden erklären, zu „Bösen“ - für welche die von den „Guten“ selbst proklamierten Menschenrechte angeblich nicht gelten. 

Wie wäre es, wenn wir vor diesem Hintergrund wenigstens selbst aufhörten, in Kategorien von Gut und Böse zu denken, nicht mehr mit zweierlei Maß zu mäßen, sondern stattdessen mit gutem Beispiel davon ausgingen, dass für alle Menschen tatsächlich die gleichen (uns alle tief innen verbindenden) Maßstäbe gelten!?
Wie wäre es, wenn wir uns in diesem Sinne selbst abwenden vom Kämpfen, uns wenigstens unsererseits vor diesem alten Glaubenssatz hüten, dass das „Gute“ über das „Böse“ zu siegen hätte - und stattdessen Vorbilder für verständnisvolle geistige Weite bieten? 

Längst geht es nicht mehr um Christentum oder Islam, nicht einmal um Gottgläubigkeit oder nicht. Wahre Alternativen können sich niemals aus einer (letztlich sowieso unmöglichen) dauerhaften Vorherrschaft irgendeiner Religion oder irgendeines anderen Denksystems ergeben.
Menschlicher Fortschritt zeichnet sich nicht durch Unterdrückung und Diskriminierung Andersdenkender oder durch eine besonders feste eigene Überzeugung aus.
Stattdessen: Raus aus den Gewissheiten!

Die grundlegende geistige Herausforderung, vor der heutzutage jeder Mensch steht, ist die eigenverantwortliche Entscheidung zwischen rückständigem (an vermeintlich absoluten Wahrheiten und Werten orientierten) und vorwärts gewandtem (offenen, fragenden, zweifelnden, weiten und immer weiter forschenden - unsicheren) Denken, zwischen zwei Denkweisen, die sich in der globalisierten Welt zunehmend häufiger begegnen.


Den Ausweg aus den alten, noch heute wirksamen unsinnigen Konflikten können jedoch nur geistige Offenheit und Weite bieten - die man aber niemandem verordnen sondern nur selbst vorleben kann, indem man selbst kritisch gegenüber dem eigenen Denken und sehr vorsichtig in Bezug auf die eigenen Überzeugungen bleibt.


Nichts spricht dagegen, eigene Standpunkte zu beziehen, die sowieso unvermeidlich sind - solange wir die eigenen Positionen mit einem inneren Fragezeichen versehen und die Werte, die wir nach derzeitigem Wissen, Gespür und Gewissen für die richtigen halten, allein dadurch nach außen vertreten, dass wir sie unsererseits vorleben?


Denn selbstverständlich ist nicht gleich, wie Menschen sich verhalten. Unterschiedliches Verhalten führt zu unterschiedlichen Konsequenzen. Und es ist nur natürlich, dass wir als Menschen auch nicht alles, was uns widerfährt, tatsächlich mögen.
Ich halte es für richtig, innere Ablehnung zu spüren und sich dementsprechend zu positionieren. Doch ist es unsinniger Wahn, daraus Feindschaften zu konstruieren.

Wie wäre es, wenn wir das vermeintlich Böse einfach nur als Unfähigkeit verstehen, mit dem vermeintlich Guten umzugehen? Wenn wir das, was uns stört, nicht als Böswilligkeit sondern eher als Dummheit, Wahn und geistig-emotional Inkompetenz interpretieren - die es vielleicht in irgendeinem anderen Zusammenhang auch bei uns selbst irgendwo gibt?
Wie wäre es, wenn wir uns selbst (und die eigenen Maßstäbe!) nicht mehr als unfehlbar verstehen, sondern uns auf der Grundlage eigener Fragen gemeinsam um ein Verständnis dessen, was für uns alle vorteilhaft sein könnte, bemühen?

Wie leicht ließe sich mit solcher Haltung sofort „am eigenen Leibe spüren“, wieviel weniger aggressiv, wütend und „böse“ wir dann selbst auf uns nicht passende Standpunkte von anderen reagieren….