Donnerstag, 20. Mai 2010

Brauchen wir Schiller?

Gestern Kurzbesuch eines studierten Philosophen im Lebenskunstatelier. Skepsis gegenüber meinem Vortragstitel ENTFALTUNG statt BILDUNG. Frage: "Und was ist mit Schiller?"
Er darf sein der gute Mann! Doch ist er nun lange schon tot, wenn auch ein ganz großer seiner Zeit, weil er sich herausragend für menschliche Freiheit engagierte, die vor allem eine des Geistes ist. Aber wäre es nicht beschämend für uns, für ihn, wenn wir heute noch dort ständen, wo sich die Welt zu seiner Zeit befand? Schiller würde mit Gewissheit heute anders als damals denken und im heutigen Umfeld auch andere innovative Impulse für den menschlichen Fortschritt setzen, als er es seinerzeit tat. Sich Altem nicht beugen, den Blick nach vorne richten, Traditionen durchbrechen, Neues wagen, das zeichnet alle großen Menschen aus. Mohammed, Christus, Buddha eingeschlossen. Zudem ein tiefer Kontakt nach innen. Sich selbst spüren und in bewusstem Kontakt mit dem tiefen inneren Sehnen sein. Das ist der Tiefgang, den wir brauchen, um - die Freiheit nutzend - eigenverantwortlich und kraftvoll in dieser Welt zu sein. Doch gerade den Zugang zu dieser eigenen inneren natürlichen Tiefe, dem eigenen angeborenen elementaren Selbstvertrauen haben gebildete Menschen oft verloren. Denn Bildung heißt formen, geformt werden, an Äußerem, an Altem ausgerichtet sein. Aus Misstrauen gegenüber den Menschen und damit auch sich selbst gegenüber an Traditionen geklammert. Als ob uns ohne das Alte das Menschliche verloren ginge.
Wir sollten besser lernen, dem Menschsein, der menschlichen Entfaltung und damit auch uns selbst ganz tief zu vertrauen, weil nur auf diese Weise die innere Befreiung von Herrschaft gelingen kann.
Schiller hatte seinerseits ein entsprechend positives Menschenbild, sonst hätte er sich nicht für Freiheit engagiert und über das Bestehende hinweg mit Idealen nach vorne geschaut. Doch um das zu tun, brauchen wir ihn nicht. Das Sehnen nach Freiheit, Freude und Frieden ist in jedem Menschen verankert, es kommt hervor, wenn es sich entfalten darf. In ihm liegt die Kraft, die Welt zu verändern. Ich habe Vertrauen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, auch wenn ich weiß, dass auf ihm noch sehr, sehr viel alter Bildungsballast abzuwerfen ist.